von Luis Alberto Villamarin Pulido, Oberst a.D.
Untersucher strategischer Angelegenheiten / Schriftsteller
Übersetzung: Annette Teßmann
Die politische Landschaft in Kolumbien hat sich erhitzt nach dem Wiederaufleben des Terrors in den Städten, der Medienpräsenz über die Entführung des französischen Journalisten, das filmreife Attentat gegen den ehemaligen Innenminister Fernando Londoño in den Straßen Botogás und die überraschende Beschuldigung der Staatsanwaltschaft gegen den liberalen Politiker Sigifredo Lopez, für seine angebliche Beteiligung an der Entführung der Abgeordneten der Stadt Valle im Jahr 2002, die aufgrund der Unfähigkeit und Untätigkeit des Kommandanten der Dritten Armeedivision dieser Epoche möglich geworden war.
Und wie es so oft schon geschah zwischen politischen Rivalen, sowohl Kritiker als auch Verteidiger der Regierung Santos tauschen gegenseitigen Sticheleien und Beschuldigungen aus, ohne in ihren heftigen Auseinandersetzungen auf den Kernpunkt des Problems zu stoßen. Das hat einen ganz einfachen Grund:
Weder die Politiker, noch die Medien oder auch die Akademiker haben ihre Aufmerksamkeit auf den Anwendungsbereich und die Ziele des Strategieplans der Farc gerichtet und deren Ableger, genannt Farcpolitik.
Deshalb ist die militärische Antwort, so effektiv sie auch sein mag, nicht ausreichend um Aktionen im juristischen, politischen, ökonomischen, diplomatischen, psychologischen und Medienbereich entgegen zu wirken.
Was ist der Strategieplan der Farc?
Der Strategieplan der Farc ist ein methodisch aufgebauter Umsetzungsplan der Kommunisten Partei und der Terrororganisation, ausgerichtet auf eine langfristige Durchführung zur politischen Machtübernahme in Kolumbien mittels Anwendung ´der Kombination aller Formen des Kampfes`. Etabliert in den Guerillakonferenzen der Farc, in weitreichenden Plena unter Beteiligung der Parteimitglieder und dem „Generalzentralstab“ der Farc als auch in deren Programmen.
Der Strategieplan der Farc begründet sich in vier Strukturbereiche:
1. Die bewaffnete Aktion der Truppen und bolivarianischen Milizen auf der Ebene des kommunistischen Terrorismus.
2. Die nationalen und internationalen politischen Tätigkeiten mittels legaler und illegaler Parteipropaganda, NGOs die von der Farc finanziert werden, Drogenhandel, Regierungen die dem Sozialismus des 21. Jahrhunderts zugeordnet werden, das Forum von Sao Paulo, die Coordinadora Continental Bolivariana (Bolivarianische Kontinentalkoordinationsgruppe) und der kommunistischen Parteien verschiedener Länder.
3. Die Finanzierung aus dem Drogenhandel, Entführungen, Erpressungen, bewaffnete Raubüberfälle, Geldwäsche und die Unterstützung durch die Regierung Venezuelas.
4. Die von der illegalen bolivarianischen Bewegung und der Illegalen Kommunistischen Partei orientierten sozial-kulturellen Aktivitäten um die Justiz, die Lehrämter, Folkloregruppen, Kommunen, Gemeinderäte, Departments - Versammlungen und andere öffentliche Einrichtungen zu infiltrieren.
Als langfristiges Projekt entwickeln die Farc gemeinsam mit all ihren bewaffneten und nichtbewaffneten Strukturen einen Gemeinschaftsplan, der sich in den taktischen Aufgaben der einzelnen Bereiche definiert. Er orientiert sich darin in den 30 wichtigsten Städten Kolumbiens eine revolutionäre Armee aufzubauen mit dem Ziel, zum Umsturz aufzufordern, den allgemeinen Aufstand zu provozieren der zur Machtübernahme der Kommunisten führt, um so das Land in den totalitären Traum der kubanischen Diktatur und die Ausweitung des Marxismus-Leninismus unter dem Emblem des 21. Jahrhunderts auf dem Kontinent umzusetzen.
Es ist ein politisch-strategisches Projekt der Farc, das als Erweiterung der bereits überwundenen Zeiten des kalten Krieges in anderen Regionen der Welt anzusehen ist. Das soll nicht heißen, dass die Farc ihre Ziele erreichen werden, noch dass die bisherigen Regierungen die seit 1964 an der Macht waren das verhindert hätten, denn die Schwierigkeiten der Kommunisten bei der Durchsetzung ihres Planes beruhen auf enorme Opfer bei der Armee Kolumbiens und nicht aufgrund von – nicht existierenden – Maßnahmen des Staates.
Die betrügerische Strategie des Friedens und der Strategieplan der Farc
Aufgrund des Mauerfalls in Berlin und die nachweisliche Ansicht über die Veralterung des Kommunismus auf diesem Planeten, wiederholen die Farc die Glaubensbekenntnisse der kubanischen Diktatur, dass der Sozialismus seine Gültigkeit behalten hat und im Chor mit seinen Unterstützern posaunen sie die Idee heraus, dass ein politischer Verhandlungsprozess den Frieden bringen könnte und dies die einzige Form ist, den bewaffneten Konflikt in Kolumbien zu überwinden.
Aus der Sicht eines Ahnungslosen könnte das als Lösung des Problems angesehen werden, jedoch steckt hinter diesem pazifistischen Angebot die manipulierende Absicht die Terrorgruppe zu legitimieren, ihnen den Status einer kriegführenden Gruppe zuzuerkennen und damit ein Riesensprung für ihr Ziel der Machtergreifung, denn dies alles beinhaltet nicht die Entwaffnung und Aushändigung ihrer Waffen an den Staat noch ihre Überstellung an die Justiz.
Die Tatsachen zeigen, dass trotz der Farce der Friedensgespräche in Uribe-Meta unter der Regierung Belisario Betancurs, der Propagandagespräche in Caracas und Tlaxcala, noch der freiwillige Verzicht der nationalen Souveränität seitens Andrés Pastranas und seiner damalige militärische Führung, immer dann, wenn die Terroristen ihren Friedens(betrug) zum Ausdruck bringen, auf unerklärliche Weise Personen wie Roy Barreras, Armando Benedetti oder Alvaro Leyva auftauchen, außer den natürlich schon involvierten kommunistischen Dirigenten die sich „mit der Klasse solidarisieren“ um das manipulierte Spiel der Farc mitzuspielen.
Wenn also die kolumbianische Zivilbevölkerung und die Regierung nicht gegen diese Aggressionen aus dem Strategieplan der Farc vorgehen und ihre angeblichen Friedensverhandlungen, wird es immer weniger nationales Bewusstsein, schwindende Wahrnehmung der eigentlichen Intensionen der Terroristen bis hin zu einer Gleichgültigkeit aufgrund der fehlenden Analyse und der politischen Amnesie geben.
Die unzureichende Antwort des kolumbianischen Staates
Während die Farc sich im entschlossenen, fanatischen und frontalem Krieg gegen Kolumbien, seiner Institutionen und seiner bestehenden Ordnung befinden, die sich in der systematischen und methodischen Durchführung der einzelnen Komponenten ihres Strategieplanes ausdrücken, haben die Regierungen seit den siebziger Jahren mit Kurzsichtigkeit, ohne langfristige Planung, ohne politische Strategien, um die Subversion zu bekämpfen, agiert. Aber vor allem, ohne ein kohärentes Projekt um eine Lösung für die sozial-ökonomischen Probleme zu finden, bei gleichzeitiger Neutralisation jeder einzelnen Phase des langfristigen Planes der Farc.
Alle Politiker, inklusive Alvaro Uribe, haben den Fehler begangen, die Lösung des Problems auf die militärischen Institutionen zu verlagern, ohne größere Anstrengungen zu unternehmen die Korruption in allen administrativen Bereichen zu bekämpfen, ohne eine integrierte und nachhaltige Entwicklung in den Regionen zu errichten, wo die Terroristen neutralisiert wurden. Der Drogenhandel wurde nicht in Koordination mit anderen Staaten bekämpft. Es gab keine Entwicklung in der diplomatischen Strategie damit die Regierungen weltweit sich gegen die internationale Front der Farc stellen; und auch keine kollektive Lösung des Problems unter Einbeziehung aller offiziellen Stellen und das kolumbianische Volk wurde nicht über die Folgen eines totalitären Regimes aufgeklärt , etc.
Improvisation und demagogischer Opportunismus haben vor den Regierungsplänen im Laufe der Zeit Vorrang erlangt. Als Beispiel hierfür dient, dass seit 1991 fünfzehn (15) Zivilpersonen das Verteidigungsministerium geführt haben ohne irgend eine Ausbildung in Fragen der nationalen Sicherheit, Strategie, Geopolitik und in Unkenntnis des Strategieplanes der Farc, selbst dann noch, als sie ihren Posten bereits verlassen hatten.
Ausnahmslos alle von ihnen haben diesen Posten als politisches Trampolin genutzt. Bei Erfolgen der Truppen haben sie die Medienwirksamkeit genutzt, bei Problemen wie die außergerichtlichen Hinrichtungen, Operationsmisserfolge oder Skandale, Militärstrafrecht, Disziplinarregime, Besoldung, juristische Vertretung, Gesundheitswesen und politischer Rückhalt haben sie sich ihre Verantwortung entzogen.
Die sogenannten Friedensbemühungen bei Unkenntnis des Strategieplanes der Farc haben sich negativ auf die Glaubwürdigkeit der Regierung innerhalb der Truppen ausgewirkt. Kein Soldat versteht, weshalb jeden Tag Bauern und einfache Leute sterben, während der Präsident, die Minister und Kongressabgeordneten sich mit Wiederwahlen, Bürokratie, Entscheidungsgewalt über den Staatshaushalt und Medienpräsenz befassen und ohne nachzudenken angesichts der Terrorgewalt agieren.
Die Informationsblockade für den militärischen Geheimdienst und die unzureichende Justizgewalt gegen die Farc-Politik
Es ist unglaublich, die Armeetruppen kämpfen gegen die Farc und beschlagnahmen Computer, USBs und Dokumente von hoher Wichtigkeit für die militärischen Geheimdienste, nutzbar für die Demontage der einzelnen Strukturen der Farc, und die Informationen werden von den Kommunikationsmedien veröffentlicht anstatt sie an interne institutionelle Kanäle zu übergeben.
Zur Erläuterung: Das gesamte Material muss der Generalstaatsanwaltschaft übergeben werden, damit die Geheimhaltungsstufe der Informationen vorgenommen werden kann, was gleichzeitig bedeutet, dass die Truppen die diese Terroristen bekämpfen ohne die benötigten Informationen bleiben, ungeachtet, dass es sie durch die Beschlagnahmungen gibt.
Um das ganze noch abzurunden, existiert eine sehr begrenzte juristische Bereitwilligkeit bezüglich der Aufklärung der Farc-Politik. Die fragwürdige juristische Entscheidung, den Beweiswert des Materials aus den beschlagnahmten Computern von Raul Reyes als nicht beweiswürdig zu erklären, die Entscheidungen, Terroristen freizulassen die sich dann ins Asyl begeben oder wieder in die Reihen der Terrororganisationen zurückkehren, oder auch Funktionäre die Mitglieder der geheimen Kommunistischen Partei sind und ihre Netze im Rahmen des Strategieplanes der Farc weiter weben, ohne das die Schwere des Gesetzes auf sie fällt.
Das Besorgniserregende daran ist, dass es gerade die Regierung ist, die in ihrer Suche nach Medienwirksamkeit häufig Informationen preisgibt, die in den beschlagnahmten Computern gefunden wurde oder bei niedergestrekten Terroristen; und die so strategischen Absichten der Farc preisgeben, wie beispielsweise geplante Anschläge in Städten, Präsenz von Personen die von Catatumbo und Carlos Antonio Lozada an einige Universitäten geschickt wurden sowie die Methodik der bolivarianischen Bewegung und der geheimen Kommunistischen Partei.
Aber da es keine Integrationsstrategie des Staates gibt, den gemeinsamen Feind entgegenzuwirken, handelt jeder auf seine eigene Weise.
Mit dem Argument der Demokratie und der darin begründeten Trennung der einzelnen Staatsgewalten wurden Inseln geschaffen ohne zu beachten, dass das Projekt der Farc sich darin konsolidiert, den Staat zu zerstören, eine revolutionäre Justiz und eine kommunistische Diktatur zu errichten.
Ungeschulte Funktionäre auf den Posten des Verteidigungsministers zu setzen, inmitten eines Drogenkrieges gegen Kolumbien ist damit vergleichbar, als wenn man einen Grafik-Designer als Herzchirurg in ein Krankenhaus schickt. Oder einen Wirtschaftler als Generalstaatsanwalt, Richter oder Magister einsetzt.
Es ist beunruhigend, dass während diese Schwächen anwachsen und diese Risse im Establishment tiefer werden, man sich nicht vereint und sich angesichts dieser strukturierten Aggression aus dem Strategieplan der Farc schützt. Dieser Plan verfolgt ganz konkrete Ziele t die in der Farcpolitik verdeckt werden: der Betrug mit dem angeblichen Frieden, die Kurzsichtigkeit des Staates und die internationale Verschwörung des Sozialismus des 21. Jahrhundert. Die Farc handhaben die Mediendynamik des Krieges.