Das Militärstrafrecht wird abgelehnt, da es einigen wirtschaftlichen Interessen schadet

Publicado: 2012-12-31   Clicks: 5465

Interview mit dem Kommandierenden General der kolumbianischen Streitkräfte Alejandro Navas

Interview mit General Alejandro Navas über die Verabschiedung des Militärstrafrechts mit der kolumbianischen Journalistin Jineth Bedoya Lima, erschienen in der kolumbianischen Zeitung „El Tiempo“ vom 15. Dezember 2012.

Übersetzung Annette Teßmann

J. Bedoya: Was ist das Wichtigste bei der Verabschiedung der Reform des Militärstrafrechtes?

General Navas:  Dass das Militärstrafrecht seine juristische Anwendung bei der legitimen Kampfführung findet, dass das verfassungsmäßige Recht, was bisher limitiert und uneindeutig gehandhabt wurde, wieder hergestellt ist.

Die Beamten in der Militärjustiz besitzen Kenntnis über die militärischen Angelegenheiten, die Dynamik eines Kriegsgeschehens, die militärischen Manöver und bei Verletzungen an Menschenrechten bleibt die  Militärjustiz außen vor. Es kann also keine Straflosigkeit geben.

J.B.: Es gab viele Fragen diesbezüglich....

Gen.Navas: Das Militärstrafrecht ist kein Freibrief, kein Privileg oder ein Instrument der Straflosigkeit, wie das von einigen NGOs und Meinungsforen angenommen wird.

J.B.: Viele NGOs meinen, dass das Militärstrafrecht der Straflosigkeit gleichzusetzen ist...

Gen. Navas: Die Familien der Uniformierten sind zufrieden, weil endlich Gerechtigkeit geschaffen wurde. Wir haben hier nichts erreicht, was wir nicht auch verdient hätten. Wir haben bereits die Unmutsäußerungen und die Ablehnung durch einige NGOs und Gesellschaftsbereiche erhalten, vielleicht liegt es auch daran, dass hier einige politische und ökonomische Interessen geschädigt werden.

J. B.: Was meinen Sie damit?

Gen. Navas: Wir wissen alle, was hinter der Verurteilung von Militärangehörigen steckt:  Entschädigungen die vom Staat gezahlt werden müssen. Vielleicht ist es Nonkonformismus, dass eine gut geführte Rechtspflege eine Limitierung dieser ökonomischen Interessen zur Folge haben wird.

J. B.: Stellt die Verabschiedung der Reform eine ausgewogene Rechtsprechung dar?

Gen. Navas: Zweifelsfrei. Das gab es in Kolumbien bisher nicht und wurde auch in Ländern, die keinen Konflikt hatten, erst mit den Jahren eingeführt. Hier haben wir seit 50 Jahren eine Konflikt und wir befinden uns gerade in einer sehr zugespitzten Phase, wo das Militärstrafrecht mehr denn je notwendig ist, insbesondere um Klarheit und Regeln zu kennen.

J.B.: Glauben Sie, dass die Justiz nicht gerecht war mit den Militärs?

Gen. Navas: Das Grundprinzip besagt, dass jeder unschuldig ist, bis man ihm eine Schuld nachweisen konnte. Hier wird ein Militär der in den Kampf ziehen muss bereits für schuldig erklärt, wenn es in diesem Kampf einen Toten gab, weil man vermutet, dass er ihn umgebracht hat. Und so ist er schuldig bis er das Gegenteil bewiesen hat. Das ist ausgesprochen ungerecht. Das ist für mich eine juristische Ungeheuerlichkeit: die Vermutung des Vorsatzes, der Schuldigkeit und nicht die Vermutung der Unschuld.

J.B.: Wird es viele Fälle geben die von der Staatsanwaltschaft an die militärische Strafjustiz übergeben werden?

Gen. Navas: Ja. Wie haben ungefähr 6000 Personen die mit diesen Prozessen in Verbindung gebracht wurden. Von diesen Personen wurden 515 bereits verurteilt, 951 stehen unter Anklage und 84 wurden freigesprochen. Bei den anderen laufen zur Zeit noch die Untersuchungen. Staatsanwaltschaft und Militärjustiz haben ein Jahr Zeit, die Kompetenzen festzulegen. Wir gehen davon aus, dass viele Fälle von der Militärjustiz an die Ziviljustiz gehen werden und umgekehrt genauso.

J.B.: Alle Fälle werden geprüft?

Gen. Navas: Nein, nur die Fälle  die sich noch in der Untersuchungsphase befinden. Wo es bereits Urteile gibt, wird es keine Revision geben. Zumindest nicht in der kolumbianischen Justiz.

J.B.: Also kann das Land beruhigt sein, dass mit der Prüfung der Fälle keine Straflosigkeit Einzug hält?

Gen. Navas: Die kolumbianische Bevölkerung kann versichert sein, dass die Militärjustiz ein Instrument der Rechtspflege ist, dass war die Forderung des Militärs und der Polizei. Wir sind nicht auf der Suche nach einem Vorteil, noch suchen wir irgendwelche Privilegien und noch weniger Straflosigkeit. Was wir suchen ist ganz einfach Gerechtigkeit.

J.B.: Und was können Sie der Zivilbevölkerung sagen?

Gen. Navas: Unsere Botschaft an die Bevölkerung heißt Vertrauen. Das Militär hat sich eine Handlungsweise angeeignet, die sich in der Achtung der Menschenrechte begründet. Die Bevölkerung ist der Grund dafür, dass es die Truppen gibt. Und so gibt es bereits eine fest verankerte Kultur um die Bürger zu beruhigen.

J.B.: Sie haben einige ihrer besten Leute im Gefängnis. Was können Sie ihnen sagen?

Gen. Navas: Dass sie Vertrauen haben müssen: in Gott, in die Justiz. Aber auch darf man nicht vergessen, dass man als Mitglied unserer Demokratie für seine Verhalten gerade stehen muss. Wir allen sind uns dessen bewusst.

J.B.: Was sagen Sie denjenigen, die behaupten, dass es seitens des Militärs keine Verantwortung bezüglich der Achtung der Menschenrechte gibt?

Gen. Navas: Natürlich gibt es die! Wenn wir diese Achtung nicht hätten, hätten wir nicht das „Protokoll zum Umgang mit sexueller Gewalt gegen Frauen“. Wir verstehen die familiären Wert und sind nicht die Schwerverbrecher als die uns einige hinstellen wollen.

J.B.: Wären Sie bereit sich mit den Müttern, Ehefrauen, Töchtern und Familienangehörigen von den sogenannten „falschen Erfolgen“ (falsos positivos) zusammen zu setzen?

Gen. Navas: Selbstverständlich. Ein Soldat liebt die Versöhnung, deshalb kämpft er und er stirbt um den Frieden herzustellen. Wenn wir uns mit einem Demobilisierten verstehen, weshalb sollten wir dann nicht auch den Schmerz von jenen Müttern verstehen. Wir haben immer die Opfer bedauert, die durch Fehler geschehen sind und wir sind bereit sie zu entschädigen in der Art wie es die Justiz und die Gesellschaft indiziert.

J.B.: Wie verhält es sich mit der Waffenruhe der Farc?

Gen. Navas: Dieser Begriff Waffenruhe wurde vom Militär nicht anerkannt. Es ist ein einseitiges Versprechen an die kolumbianische Bevölkerung, und es scheint, dass sie es nicht einhalten. In verschiedenen Departments wurden seit dem 19. Dezember verschiedene terroristische Aktionen durchgeführt, es gab Tote, Verletzte, Vertriebene und es gibt Beweise. Und so kann man den Begriff Waffenruhe nicht verstehen oder es ist eine Form ihres Kampfes.

J.B.: Was kann man über die Raketen sagen, die die Farc haben sollen?

Gen. Navas:  Eine militärischen Grundtaktik besagt, dass man den Feind nicht unterschätzen darf.  Zu keine Zeit werden wir die Gefahr von Raketen verneinen oder minimieren. Es handelt sich um Raketen aus dem kalten Krieg, zurückgelassen aus den Kriegen in Afghanistan, Irak und Mittelamerika. Entsprechend ihrem Alter und der fehlenden Möglichkeiten sie angemessen gelagert haben zu können, haben sie vermutlich an Präzision verloren. Die Streitkräfte haben aktive Maßnahmen gegen jede Art von Bedrohung.

 

 

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